Mittwoch, 12. April 2006

Eintrag mit Ventilfunktion

Dieser Eintrag hat nix mit Australien, mir oder meinem Studium zu tun. Es ist ein Eintrag, der einem vor Augen fuehrt, wie haarestraeubend unsere "Vertreter" und die von der "Verwaltung" teilweise mit den Buergern umspringen.
Ich schreibe diesen Eintrag, weil es mich fuerchterlich wuetend macht, diese Geschichte schon seit Jahren mitzubekommen. Ich brauche dies hier als Ventil.

Also, worum geht es ?

Kurzfassung:
Die Strasse, in der mein Vater lebt, soll neu gemacht werden. Dazu wird der Buerger zur Kasse gebeten, und zwar nicht zu knapp: 90% muss von den Anwohnern gezahlt werden. Die Stadt drueckt den Anwohnern nun eine Luxusversion aufs Auge, die keiner will. Und der Stadt ist es anscheinend egal, wenn ausser dem Bauamt niemand diese Loesung moechte.
Kurzfassung Ende.

Man muss wissen, dass mein Vater in Rheinbach-Queckenberg wohnt. Queckenberg ist ein kleines _Kaff_ von knapp 600 Einwohnern (schaetze ich mal). Es ist so klein, dass es nicht einmal eineinziges Geschaeft gibt. Direkt hinter der Ortsgrenze beginnt Landschaftschutzgebiet, also: Pampa ! Die betreffende Strasse fuehrt auch quasi direkt ins Landschaftsschutzgebiet (Durchgangsverkehr = Zero).
Diese Strasse ist in einem sehr desolaten Zustand. Flickenteppich faengt gerade erst an, die Geschichte zu beschreiben. Nun hat die Stadt Rheinbach Plaene, dies zu aendern. An sich noch nichts Ungewoehnliches, aber jetzt kommts. Das Stadtsaeckel ist leer, daher hat das Bauamt oder wer auch immer einen Winkelzug gemacht und diese Strasse als "nicht erschlossen", also quasi "nicht existent" deklariert (obgleich jedes Grundstueck an der ca. 100m langen Strasse bebaut ist).

Hintergrund: Bei einer erschlossenen Strasse werden die Kosten 50-50 geteilt ("Sanierung"), bei einer "Neuerschliessung" 90-10 (90% Anwohner, 10% Stadt !).
Damit faengt es also schonmal an. Die Stadt deklariert diese Strasse als mehr oder weniger nicht existierend und haut dem Anwohner die Kosten aufs Haupt. Achja, Kosten: Der Stadt ists ja nun egal, wieviel es kosten wird (der Buerger zahlt), daher macht sich anscheinend auch keiner Gedanken ueber das Geld.
Ich war damals dabei, als mein Vater zum ersten mal aufs Amt gegangen ist, um Auskunft zu erlangen.

"Auf wieviel muss man sich denn einstellen ?" fragte mein Vater da einen Angestellten.

"Keine Ahnung."

"Sie muessen mir doch eine ungefaehre Zahl nennen koennen..."

"Nein, kann ich nicht. Wir wissen nicht wieviel es kosten wird"

"Sie wollen mir also im Ernst erzaehlen, dass wir zur Zahlung einer fuenfstelligen Summe verpflichtet werden, aber koennen nicht einmal eine grobe Schaetzung abgeben ?"

Der Angestellte zuckt mit den Schultern: "Richtig, kann ich nicht."

Das faengt ja gut an. Spaeter erhielten die Anwohner dann Einsicht in die Plaene. Diese sehen eine breite Prachtstrasse vor, zweispurig, mit Buergersteigen links und rechts, Baeumen und Laternen alle 20 m. Wortlaut aus den Plaenen:

"...eine Strassenbreite von BLABLABLA Metern, so dass die Begegnung LKW/LKW moeglich ist."

Erwaehnte ich die Lage der Strasse ? Landschaftsschutzgebiet ? Kaff ? Ticktack, ich glaube mein Schwein pfeift ! Die Stadt muss ja nur 10 % zahlen, also einfach mal schoen die Kohle verpulvern !
Ausserdem: Es muessen die Grundstuecke der Anwohner fuer den Buergersteig herhalten. Das bedeutet: Enteignung ! Und natuerlich vermindert sich dadurch der Wert der Immobilien unheimlich.

Bei einer Enteignung bekommt man aber natuerlich eine Entschaedigung, die Stadt ist ja nicht knauserig. Allerdings kompensiert diese Entschaedigung.... sagen wir mal so: Es ist ungefaehr so, als wuerde ich einen dicken Mercedes vor die Wand fahren, und danach dem Besitzer eine Lackspruehdose als Wiedergutmachung anbiete. Im Ernst: Die "Entschaedigung" ist ein Witz und eine Unverschaemtheit.

Es geht weiter ! Die Buerger liefen natuerlich Sturm dagegen. Zunaechst wehrten sie sich gegen die Strasse generell, aber nachdem eingesehen wurde, dass die Sanierung wohl unausweichlich ist, machte man folgendes Angebot: Die Anwohner zahlen 100%, dafuer wird nur eine Minimalversion gemacht: Keine Buergersteige, keine Baeume (merke: wir befinden uns auf dem Land !!!) und vor allem keine Laternen (Stichwort Lichtverschmutzung, viele Leute haetten eine Laterne direkt vor dem Schlafzimmerfenster).

Die Stadt lehnte dies ab. O-Ton vom Bauamt:
"Ich weiche von meinen Plaenen keinen Millimeter ab, da koennen Sie sich auf den Kopf stellen."

Prima, da sieht man mal, worum es hier geht. Nicht im Sinne der Buerger wird entschieden und geplant, es geht um reine kleinkarierte egoistische und kleingeistige Verbohrtheit. Die Stadt muesste keinen Cent hinzutun, aber nur weil sich jemand in seiner Macht beschnitten fuehlt, wird der Buerger so richtig... beschissen ? Mir fehlen die Worte.

Ein hochrangiger Vertreter der Stadtverwaltung wurde eingeschaltet. Er zeigte sich begeistert und kooperativ.
"Ach das sei aber ein toller Vorschlag mit der Minimalloesung und 100% Anwohner, das ist eine gute Sache und er wird sich dafuer einsetzen."

Hoffnung keimte auf. Doch bei einer der naechsten Versammlungen mit den Buergern der Strasse fiel er allen in den Ruecken und tat so, als ob diese vorgeschlagene Loesung nie eine Option gewesen sei. Pfui.

Schlussstrich:

Die Anwohner haben nun Briefe erhalten, die ankuendigen, wieviel vom Grundstueck enteignet wird. Die Stadt gewinnt.
Mich erfuellt diese Geschichte mit Ekel. Wirklich. Ich empfinde koerperliche Uebelkeit und ohnmaechtige Wut, wenn ich an dieses Verhalten der betroffenen Personen der Rheinbacher Stadtverwaltung denke. Selbst die groesste Kompromissbereitschaft wurde beiseite gewischt und die Stadtverwaltung lachte den Leuten noch ins Gesicht ("da koennen Sie sich auf den Kopf stellen").

Was fuer ein exquisites Beispiel fuer Demokratie, Mitbestimmung, und VOLKSVERTRETUNG ! Selbst schon bei bundespolitisch total unbedeutenden Sachen wie dieser popeligen Strasse muessen gewisse Personen ihre kleinen Machtspiele spielen und damit anderen Menschen Schaden zufuegen (mehrere zehntausend Euro Kostenbeteiligung PLUS Enteignung und damit Wertminderung).

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Diesen Eintrag habe ich gebraucht. Ich trage schon seit Tagen eine solche Wut mit mir herum, die ich irgendwo abreagieren musste. Die Sprache ist, wie man das so von mir kennt, kraeftig und bildhaft, aber anders bekomme ich diesen Ekel nicht aus dem Bauch. Ich lasse mir nicht von ein paar unkooperativen Zeitgenossen meinen Urlaub versauen.
Nlz (Gast) - 12. Apr, 15:29

Presse? Klagen?

Hi Julian!

Das ist wirklich eine Dreistigkeit! Leider hast du bisher nicht beschrieben, was die Anwohner so alles getan haben, um sich zu wehren.

Wurde die lokale und überregionale Presse eingeschaltet? So eine Story ist eine Schmach für jede Stadtverwaltung, plötzlich wird dann alles ganz einfach...

Wurde ein Anwalt eingeschaltet? Das klingt sehr danach, als wenn es dagegen ein Gesetz geben müsste. Oder zumindest irgendeine Handhabe, die der Stadt Steine in den Weg wirft. Allein diese "nicht erschlossen" Geschichte zum Beispiel. Das dürfte doch gar nicht im Ermessen der Stadt liegen. Das lässt sich sicher anfechten.

Unverschämtheit! Rheinische Kleinkariertheit und Klüngel zeigen ihr hässliches Gesicht...

marvis (Gast) - 13. Apr, 11:16

Die andere Seite...

Hm...ich kann mir kaum vorstellen, dass da die andere Seite nicht auch irgendwie verdammt gute Gründe hat. Vielleicht wäre es sinnvoll, zu versuchen, diese zu verstehen und dann dagegen zu argumentieren statt direkt abzublocken? Ich kann mir kaum vorstellen, dass die einfach so aus Spass da so eine breite Straße hinbauen wollen. Vielleicht gibt es da ein längerfristig angelegtes Verkehrsprojekt oder sowas?
Ich kann schon verstehen, dass die Anwohner das nicht wollen, aber so wie Du die Geschichte darstellst schien auf beiden Seiten nicht gerade der Wille zur Kooperation vorhanden gewesen zu sein.

chickenhawk - 13. Apr, 14:53

Hi Marvis, hi Nils !

Ich stecke zugegebenermassen nicht zu 100% in den Details, daher habe ich auch konkrete Zahlen weggelassen.
Eine weitergehende Verkehrsplanung ist imho nicht der Grund; die Strasse fuehrt praktisch ins Nichts (Du weisst doch, wo ich wohne und wie es da aussieht ?!?).
Zum Thema "Die Stadt hat ihre guten Gruende" aber nur folgendes:

Eigentlich war eine "Ausgleichsbebauung" oder so geplant, denn fuer jeden erbauten Quadratmeter Flaeche muss laut Gesetz ein Ausgleich geschaffen werden. Also ging das Bauamt hin und nahm sich den Bebauungsplan, legte ein Lineal quer drueber und zog einen 10m breiten Gruenguertel durch alle Grundstuecke. Im Lanfschaftsschutzgebiet wohlgemerkt. Bei manchen Leuten teilte diese Gruenstreifen das Grundstueck in zwei Haelften. Die Stadt war aber so freundlich, nach ausgiebigen Beratungen auf diesen Gruenstreifen zu verzichten. Natuerlich erfolgten die Beratungen auf Protest der Anwohner...

Fuer mich sieht das nicht so aus, als ob da nachgedacht wurde. Aber ich haenge mich in die Sache mal genauer rein.
marvis (Gast) - 13. Apr, 15:00

Beamte

Ich wollte damit nicht sagen, dass Beamte nicht manchmal eine etwas verquere Weltsicht haben. ;-)

Ich meine nur, dass anscheinend einige Leute ein starkes Interesse an der Erweiterung dieser Straße haben. Egoistische Verbohrtheit scheint mir als Erklärung nicht auszureichen, da steckt bestimmt mehr dahinter.

chickenhawk - 14. Apr, 03:24

Kein Ego-Problem ?

Naaaaa, da waere ich mir aber nicht so sicher. Bauprojekte bei der Stadt mahlen seeeeehr langsam, und es dauert mitunter mehr als 10 Jahre, bis aus dem Bleistift eine Baumaschine wird, die das Projekt umsetzt. Da sitzen seit vielen Jahren Leute dran, die viel Arbeit und Muehe reininvestiert haben, und auf einmal kommen die Anwohner, welche nun das ganze Konzept umschmeissen wollen... Naja, und ohne da jetzt im entferntesten was implizieren zu wollen: Die lokale Bauwirtschaft verdient an einer Prachtallee mehr als an einer simplen, geteerten Strasse ?!?

Was die Begruendung durch die Stadt angeht: Da wurde auf Nachfrage der Anwohner mit einem schwammigen "Das Allgemeinwohl steht ueber dem Wohl des Einzelnen" geantwortet. Wobei die Stadt die Antwort schuldig blieb, wie eine solche ueberdimensionierte Strasse in _Queckenberg_ dem Allgemeinwohl nutzt. Nochmal: Diese Strasse wird von den Anwohnern, deren Besuchern und taeglich 5-6 Treckern genutzt ! Ich werde allerdings natuerlich, wenn ich wieder in Deutschland bin, mal selbst aufs Amt latschen und Auskunft erbitten.

Und um meine Motivation nochmal zu unterstreichen:

Letzten Endes ist es "nur" Geld (naja, und die Lichtverschmutzung.. viele Leute sind u.a. aufs Land gezogen, um nen schoenen Sternenhimmel zu haben, das waere mit Lampen stark eingeschrankt; nicht unterschaetzen !).
Was mich so masslos aufregt ist die Art und Weise, wie hier mit den Buergern umgesprungen wird. Die Politiker und die Stadtverwaltung sollen Partner des Volkes sein und in ihrem Sinne und zu ihrem Wohl handeln. Aber hier wird den Leuten einfach was aufs Auge gedrueckt, was mehrere zehntausend Euro kosten wird und die Menschen bekommen Null Mitspracherecht. Die Stadt spielt sich hier recht despotisch auf in meinen Augen.
Wir leben doch nicht in einer Bananenrepublik !
marvis - 14. Apr, 12:22

Wut

@Julian: Genau das meinte ich! Ich kann verstehen, dass Du Dich aufregst, aber genau damit wirst Du nichts erreichen! Wenn Du denen wütend kommst, dann läuft es auf ein Kräftemessen hinaus, und dass ihr dabei den Kürzeren zieht zeichnet sich ja bereits ab. Klar gehts da auch um Geld, aber grundsätzlich würde ich da mal davon ausgehen, dass die Leute, die das geplant haben, nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass die dabei durchaus an das Allgemeinwohl denken, da aber eben ganz andere Kriterien anlegen als die Anwohner. Versuche zu verstehen, was sie wollen! Worum geht es wirklich? Mit Wut alleine wirst Du bei solchen Leuten nicht viel erreichen.

Es passt zwar hier nicht 100%, aber ich musste gerade an Yoda denken:
"Furcht ist der Pfad zur dunklen Seite. Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu unsäglichem Leid."

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